Leidenschaft und Quote
Gastbeitrag von Anne Schulz, Redaktion Medienkarriere.NRW
Die gute Nachricht überbrachte Uwe Kammann, Direktor des Grimme Instituts, beim Informationstag der Medienfrauen NRW am 13. März 2013 gleich zu Beginn: Frauen wären in den Medien überdurchschnittlich erfolgreich, ja sogar tonangebend, so Kammann. Damit eröffne sich ein weites Spektrum an beruflichen Perspektiven für die jungen Frauen, die zum Informationstag der „Medienfrauen NRW“ in den Kölner MediaPark gekommen waren. Darunter Schülerinnen ebenso wie Studentinnen und Studienabsolventinnen. Im Mittelpunkt der Veranstaltung des Grimme-Instituts standen u. a. die Aussichten in der Medienbranche für den Nachwuchs.
Den differenziert-kritischen Blick auf die Verhältnisse warf anschließend die Medien-Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren. Auch sie sieht ein breites Berufsspektrum in der Medien- und Kommunikationsbranche und ermutigte junge Frauen ausdrücklich, ihren Berufsweg auch jenseits der gewohnten Bereiche (kaufmännische Berufe, Marketing) zu suchen. Sie sollten die ganze Bandbreite der Ausbildungsberufe und Studiengänge nutzen. Gleichzeitig erinnerte sie jedoch daran, dass Frauen in Führungspositionen – und da bilden Medienunternehmen keine Ausnahme – immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. Auch wenn junge Frauen im Durchschnitt bessere Schul-Zeugnisse vorweisen können und öfter ein Studium abschließen, gelingt der Aufstieg in Schlüsselpositionen selten. Ein Beispiel des Informationsportals www.frauennrw.de: „Bei den rund 200 größten deutschen Unternehmen liegt der Frauenanteil in den Vorständen (…) bei rund drei Prozent.“ Die Minsterin Dr. Schwall-Düren kommentierte: „Wenn die Entwicklung in diesem Tempo weitergeht, können wir noch sehr lange auf Gleichberechtigung warten“. Sie plädierte für eine Quote und verwies auf die aktuelle Initiative des Vereins „ProQuote Medien“. ProQuote tritt dafür ein, dass bis zum Jahr 2017 mindestens 30% der Führungspositionen von Frauen besetzt werden: „in allen Print- und Onlinemedien, TV und Radio“.
Die mangelnden Aufstiegsperspektiven und Berufschancen sind in Euro und Cent zu messen. Der „Equal Pay Day“ symbolisiert dies Bis zu diesem Tag müssten „Frauen über das Jahresende hinaus arbeiten“, um „auf das Vorjahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen“. Im Jahr 2013 wäre dies der 21. März 2013. Auch wenn die Bezahlung bei jüngeren Beschäftigten schon weniger ungerecht ausfällt – junge Berufseinsteigerinnen müssen sich immer noch mit weniger Gehalt/Honorar abfinden als ihre männlichen Kollegen. Dr. Schwall-Düren erklärte, dass in anderen europäischen Nachbarländern diese Lücke bereits deutlich geringer sei.
Einblick in reale Karrierewege bot das erste Panel nach den Auftaktreden. Die Redakteurin Petra Kohnen von der Deutschen Welle berichtete etwa über ihre Arbeit als Korrespondentin mit dem Schwerpunkt Verteidigungspolitik. Heute unterrichtet sie an der Deutsche Welle Akademie im Studiengang „International Media Studies“ und an der German University of Kairo. Dort will sie den Studierenden Demokratieverständnis und selbstständiges Denken vermitteln. Keine leichte Aufgabe in einem Umfeld, wo Journalistinnen darunter zu leiden haben, dass politische Gruppen wie die Muslim-Brüder verhindern wollen, dass Frauen sich frei und unabhängig bewegen. Petra Kohnen schilderte drastisch, dass selbst sie als gestandene Korrespondentin inzwischen nicht mehr wage, den Tahrir-Platz, das Zentrum der ägyptischen Proteste gegen Mubarak, zu betreten. Übrigens auch nicht in männlicher Begleitung.
Einen ganz anderen Arbeitsalltag hat Pia von Houwald, die, nach einem BWL-Studium, bei E-Plus neue Tarifmodelle entwickelt. Sie beobachtet als Abteilungsleiterin, dass im Bereich des Marketings viele Frauen arbeiten. Bei Netzwerk- und IT-Technik sind dagegen kaum Frauen tätig. Für Houwald haben sich durch neue Produkte und Veränderungen im Unternehmen immer wieder neue Karriere-Chancen ergeben haben. Für sie zählen Leistungsbereitschaft, Motivation und Veränderungsbereitschaft zu den entscheidenden Faktoren.
Die Erfahrung, dass sich durch unverhoffte Wendungen neue Perspektiven eröffnen, dass der erstbeste Weg nicht immer der brauchbare ist, bestätigte auch Kim Lenar, die nach journalistischen Stationen u. a. bei Hamburger Morgenpost und RTL heute als Redakteurin für die BILD-Zeitung tätig ist. Die Verschmelzung von Print und Online sei ein ungeheuer spannender Prozess, der das Zeitungsgeschäft von Grund auf ändere. Ebenfalls im Bereich der digitalen Wirtschaft ist Claudia Pelzer unterwegs. Sie berichtete, wie sie im Studium das Thema „Crowdsourcing“ entdeckte, welches sie nun als Freiberuflerin beackert.
Neue Wege zu gehen, mutig zu sein und sich etwas zuzutrauen – dieser Rat wurde vom Podium einhellig erteilt. Die Einsteigerinnen sollten sich durch Absagen nicht entmutigen zu lassen, so Lenar, sondern einfach eine andere Möglichkeit suchen!
Ob eine Quote nötig ist, um Frauen bessere Chancen zu eröffnen? Die Quote sei absolut wichtig, lautete die Antwort von Petra Kohnen. Eine „good-will“-Erklärung reiche nicht aus, damit Frauen, die ebenso gut qualifiziert sind wie männliche Kollegen, interessante Positionen erreichen.
Fünf Berufe
Die zweite Gesprächsrunde des Informationstages widmete sich der Ausbildung. Ein Thema waren die Erfahrungen beim Einstieg. Die Dortmunder Studentinnen Katja Vossenberg und Maren Bednarczyk absolvieren das begehrte journalistische Volontariat beim WDR. Sie haben in der Auswahlrunde mit einer simulierten Redaktionskonferenz, Nachrichtenübung und Auswahlgespräch überzeugen können. Eine Hürde, die andere noch vor sich haben. Um später im Medienbereich arbeiten zu können, gibt es viele Zugangswege. Auch in dieser Diskussionsrunde war man sich einig: es gelte, die ganze Bandbreite zu nutzen. So müsse man nicht immer ein „Medien“-Studium absolvieren, erläuterte Andrea Ernst vom Journalistinnenbund . Bei gutem Journalismus sei oft ein „zweites Fach“ dahinter. Und wenn eine Bewerbung nicht zum Erfolg führe, empfahl Elisabeth Neumann vom Medienbüro Rheinland, flexibel zu sein. Die entscheidende Frage laute: “Wo kann mein Wissen nützlich sein?“. Dort überall könne es dann interessante Einstiegspositionen geben. Auch hier spielte die Veränderungsbereitschaft eine Rolle. Ernst wies darauf hin, dass jede Fachkraft im Laufe ihres Arbeitslebens inzwischen etwa „fünf Berufe“ ausübe, die zwar miteinander zusammen hingen, aber sich etwa durch Verlagerung von beruflichen Schwerpunkten ergäben. Den Wandel an Anforderungen und Schwerpunkten, den teilweise anstrengenden Arbeitsalltag könne man umso besser bewältigen, wenn man (bzw. frau) mit Freude arbeite. Das Schlüsselwort sei „Leidenschaft“, so Neumann. Umso wichtiger, die geeignete Ausbildung, das passende Studium auszuwählen. Bettina Baum vom AIM KoordinationsCentrum erläuterte die vielfältigen Berufsprofile und Informationsangebote. Darunter auch Medienkarriere.NRW.
Das Fazit der beiden Auftaktrunden: Ja, es gibt erfolgreiche Medienfrauen in NRW. Und ja, es gibt dennoch viel zu tun, um jungen Einsteigerinnen wie erfahrenen Profis einen gleichberechtigten Zugang zu Berufschancen zu eröffnen. Bei den Medienfrauen 2013 ging es danach in die Praxis-Workshops. Wir dürfen gespannt sein, wann der „Equal Pay Day“ für diese Einsteigerinnen auf den 31. Dezember fällt.
Der Artikel wurde erstmalig hier veröffentlicht: Medienkarriere.NRW