Medienfrauen NRW 2014: Workshop 1 – „Journalismus“
arbeitet als Redakteurin für die Westdeutsche Zeitung. Ganz untypisch für die Branche arbeitet sie schon lange für die WAZ, seitdem sie vor 17 Jahren dort ein Volo gemacht hat. Vorher hat sie als freie Mitarbeiterin gearbeitet, was der typische Einstieg in die Branche sei. Bei der WAZ hat sie zunächst als Korrespondentin in Berlin gearbeitet, danach war sie für kurze Zeit in London – ebenfalls als Korrespondentin. Jetzt arbeitet sie als stellvertretende Leiterin der Lokalredaktion in Essen. In diesem Ressort lerne man alle Tugenden, die man als Journalist brauche. Ihrer Meinung nach holt man sich dort als Journalist das „Basisrüstzeug“, was man für jede journalistische Tätigkeit gebrauchen könne.
Um einen Einstieg bei der WAZ als Volontärin zu bekommen, muss man zunächst ein Assessment-Center durchlaufen. 15 Bewerber werden jedes Jahr genommen. Als Beispielsfrage in einem Assessment-Center führt sie an „Wie heißt der nordrheinwestfälische Finanzminister“ oder „Welche drei Musikerinnen wurden in einer Moskauer Kathedrale verhaftet?“. Die Fragen gehen also vom Finanzminister bis zur Populärkultur. Eine große Bandbreite sollen sie abdecken, um herauszufinden, ob die Bewerber über ein breites Allgemeinwissen verfügen. „Viel lesen“, rät sie, um sich bestmöglich für den Test vorzubereiten. Das ist für sie überhaupt die Grundvoraussetzung, um als Journalistin zu arbeiten. Als einen anderen Weg als das Volo nennt Wandt den Besuch einer Journalistenschule wie etwa der Henri-Nannen Schule oder der RTL-Journalistenschule. Vor allem die großen Tageszeitungen würden darüber ihren eigenen Nachwuchs rekrutieren. Dort sei das Niveau der Assessment-Center-Fragen auf jeden Fall noch höher. Auf Nachfrage einer Teilnehmerin sagt Wandt, dass neben den beiden klassischen Wegen auch ein Quereinstieg möglich ist. Eine Teilnehmerin fragt, inwiefern Fernstudiengänge in der Branche angesehen sind. Wandt meint, dass sie vorsichtig wäre mit einem Fernstudiengang, der nur theoretisch ist. Wichtig sei, vor allem schon während der Ausbildung praktische Erfahrungen zu sammeln.
Thematisch beginnt sie mit den sinkenden Verkaufszahlen in der Printbranche. „Es gibt gar nicht mehr das reine Printmedium“, erklärt sie. Früher wurden Print und Online zunächst getrennt betrachtet. Printartikel wurde einfach im Netz hochgeladen. Heute werden die Bereiche mehr zusammengedacht. Deswegen machen die Volontäre auch Station in der Online-Redaktion. Um über Ereignisse schnell berichten zu können, müssten auch klassische Printjournalisten umdenken lernen. Trotzdem plädiert sie dafür, journalistische Standards einzuhalten. Bei schnellen Informationen würden es die Leser aber verzeihen, wenn sie nicht komplett ausrecherchiert sind. Der Onlinejournalismus ermöglicht grundsätzlich viele Geschichten, die es beim reinen Print nicht gegeben hätte, so Wandt. Auch in sozialen Netzwerken ist die WAZ vertreten.
Die Arbeitszeiten im Journalismus sind für Langschläfer grundsätzlich gut geeignet, wenn man nicht gerade für die Frühschicht eingeteilt ist. Im Hauptteil beispielsweise beginnt der Frühdienst um sechs Uhr, die Spätschicht geht bis Mitternacht. Trotz Festanstellung kann Christina Wandt bei sich nicht von einem geregelten Tagesablauf sprechen. Das liege auch daran, dass man auf Ereignisse schnell reagieren müsse. Außerdem wurden in den letzten Jahren viele Stellen abgebaut, weshalb man mit weniger Leuten jetzt mehr Arbeit leisten müsste. Dadurch, räumt sie ein, leide leider auch manchmal die Qualität.
„Passiert es Ihnen denn auch mal, dass Sie sieben Tage in der Woche in der Redaktion sind?“ fragt eine Teilnehmerin nach. Das komme bei ihr nicht vor, weil sie eine 80%-Stelle habe. Es sei ihr wegen ihrer Familie sehr wichtig, einen Tag in der Woche auf jeden Fall frei zu haben, antwortet Wandt. Für Tage, die man zusätzlich arbeitet, bekommt man einen Ausgleichstag. Die Regelungen bei den Überstunden seien aber leider nicht so gut.
„Neugierde auf Menschen, Interesse an Themen“, nennt sie als die Grundvoraussetzungen vor allem für den Lokaljournalismus. Für den Einstieg empfiehlt sie, erst einmal ein langes Praktikum zu machen. Eine Teilnehmerin ergänzt, dass man vor allem auch bei Hochschulzeitungen oder -radiosendern gute Erfahrungen sammeln kann. Wichtig ist es für Wandt, dass Nachwuchsjournalisten zunächst lernen, komplexe Themen zu verdichten. Für sie ist das vor allem eine Frage der Übung. Ihr tut es leid, dass in der Lokalredaktion nur oft die Zeit fehlt, Praktikanten eng zu betreuen.
Als großes Unglück bezeichnet sie es, dass die WAZ die Korrespondenten aus Paris und London mittlerweile abgezogen hat. Sie empfindet ihre Arbeit im Ausland damals als großes Glück.
„Welche Freiheiten haben Sie in der Themenfindung?“, fragt eine Teilnehmerin. Es gibt fast keinen Beruf, der freier ist als der Journalismus, antwortet Wandt. Jeden Tag um elf gibt es eine Themenkonferenz, bei der festgelegt wird, welche Geschichten verfolgt werden. Weil sie auch in Essen lebt, fallen ihr auch häufig Ideen für Themen unterwegs zur Arbeit ein, einfach weil ihr irgendetwas Besonderes in der Stadt aufgefallen ist. Es sei ein täglicher Kampf, in welcher Komplexität, in welcher Länge man Themen aufbereite. „Scheu sollte man nie haben!“, rät sie. Zu bestimmten Themen werden nämlich auch Umfragen auf der Straße gemacht; dafür muss man auf Leute zugehen können.