Panel 1: „Erfolgreiche Frauen in den Medienbranchen“

Veröffentlicht von le am

Teilnehmerinnen: Bella Lesnik (1live), Sabria David (Slow Media Institut), Sabine Heinrich (1live), Odile Limpbach (Blue Byte), Simone Stewens (ifs Köln), Kim Lenar (BILD)

Bella Lesnik ruft die Teilnehmerinnen des ersten Panels auf die Bühne und stellt sie kurz vor. Sabine Heinrich arbeitet unter anderem als Radiomoderatorin bei 1live und ist in verschiedenen Fernsehformaten unterwegs. Odile Limpach ist eine der ersten Führungsfrauen in der Spiele-Branche, Simone Stewens ist seit 2002 Leiterin der Internationalen Filmschule Köln, Kim Lenar ist Ressortleiterin für Nachrichten bei der BILD-Zeitung.

Von links nach rechts: Bella Lesnik, Sabria David, Sabine Heinrich, Odile Limpach, Simone Stewens, Kim Lenar

Bella Lesnik beginnt mit einem Blick auf den Arbeitsalltag der Medienfrauen, auf diese Weise werden die abstrakten Berufsbilder der Panelteilnehmerinnen recht schnell sehr anschaulich. Den Anfang macht Kim Lenar. Sie erläutert, wie vielfältig sich ihr Arbeitstag gestaltet. Eine Ressortleiterin muss den Überblick über alle Nachrichten haben. Ihr Arbeitstag beginnt mit dem Sammeln und Bündeln von Nachrichten auch aus den Außenstudios, die dann in der täglich mehrfach stattfinden Ressortleiterkonferenz inhaltlich und schwerpunktmäßig abgestimmt werden. Es gibt sehr viele Konferenzen pro Tag, um zu überprüfen, wie sich Nachrichten und Ereignisse entwickeln, so dass sich erst  am Nachmittag entscheidet, welche Nachrichten am nächsten Tag den Weg in die Zeitung finden. Jede Ausgabe ist damit das Produkt eines langen Arbeitstages. Ein solcher Arbeitstag ist gefühlt sehr schnell vorbei, dauert allerdings tatsächlich sehr lange. Die Frage zum Schluss, wie viel konkreten Einfluss die Ressortleitung auf die Inhalte nimmt, beantworte Lenar mit: „Die Aufgabe der Ressortleitung liegt vor allem in der Abstimmung und Platzierung der Nachrichten.“

Als nächstes berichtet Simone Stewens von ihrem typischen Arbeitstag an der Internationalen Filmschule. Die Filmschule ist eine Mischung aus Ausbildungs- und Produktionsbetrieb, weshalb sehr viel geplant werden muss. Neben dem Studium werden über 60 Filme pro Jahr produziert. Der Tagesverlauf ist natürlich sehr davon abhängig, ob das aktuelle Semester gerade läuft oder nicht. In der vorlesungsfreien Zeit beginnen die Planungen für das übernächste Semester. Jeder Arbeitsmorgen startet mit einer Planungskonferenz, in der Probleme und Aufgaben besprochen werden. Man plant zwar längerfristiger als in einer Redaktion, dies bedeutet jedoch nicht, dass es keinen Termindruck gäbe: Auch an der Filmhochschule gibt es Deadlines, die unbedingt eingehalten werden müssen.  Man hat sehr viel mit Menschen zu tun, deshalb ist 80 % des Jobs Kommunikation.  Zur Zeit wird die Schule internationalisiert, die Studierenden haben die Chance, eine Projektkooperation mit einer Partnerschule in dem jeweiligen Land durchzuführen.

Auchs Odile Limpach beantwortet die Frage nach ihrem Arbeitsablauf: Sie muss immer wissen, was jeden Tag ansteht – und das, obwohl jeder Tag anders aussieht. 130 Mitarbeiter entwickeln und produzieren Spiele in Düsseldorf, zusätzlich gibt es noch Produktionsstätten in Indien und Frankreich, die Zentrale von Blue Byte ist in Paris. Dies macht die Arbeit sehr komplex. Die Entwicklungszeit von „kleinen“ Spielen beträgt etwa 1 ½ Jahre, die von „großen“ drei bis vier Jahre, sodass eine langfristige Planung und vorausschauendes Arbeiten von zentraler Bedeutung sind. Zu den weiteren strategischen Aufgaben gehört die Erstellung von Finanzplänen und die Analyse von Marktrends.

Auf Nachfrage Bella Lesniks gibt sie zu, dass sie privat kaum noch spielt, sondern nahezu ausschließlich aus beruflichen Gründen. In der Firma selbst dürfen die Mitarbeiter spielen, wann immer die Arbeit es zulässt. Ihr Tipp für den Einstig: ein Praktikum als Gametester.

Sabine Heinrich erklärt, wie ihr typischer Radiotag aussieht. „Das ist ein Kurzstreckenlauf“ so Heinrich. Um acht ist sie bei der Arbeit, ihre Sendung läuft zwischen 10 und 14 Uhr. Wichtig ist es, die neuesten Nachrichten zu kennen, damit man die Sendung vorbereiten und auf unerwartete Ereignisse wie ungeplante Interviews gut reagieren kann. Nach jeder Sendung findet eine Konferenz statt, in der das Team noch einmal alles durchspricht. Um 15 Uhr endet ihr Radioarbeitstag, danach benötigt sie eine Stunde, um ihre Sprache wieder von „Radiosprache“ auf „Alltagssprache“ umzustellen, denn: Im Radio ist ein anderer Rede- und Kommunikationsstil gefragt: kurz und auf den Punkt. Ebenfalls sehr wichtig für die Arbeit:  Kreativität und Improvisationstalent.

'Was mit Medien' machen? Heute wird es konkreter...

 

Die Frage Lesniks nach den Unterschieden zwischen dem Radio- und dem Fernsehberuf  beantwortet Heinrich mit einem Vergleich:  Radio machen gleicht einem Kurzstreckenlauf, ihre Fernseharbeit für Zimmer Frei ist die Mittelstrecke, eine Reportage wie WDR Weltweit der Langstreckenlauf. Ihre große Liebe ist das Radio, für das sie schon viele Jahre tätig ist, allein 11 Jahre beim WDR; die Arbeit im Fernsehen hingegen ist noch zu neu, um von Liebe zu sprechen. Und jede Arbeit, die man neu anfängt, lässt einen unsicher werden. „Ich muss mich da reinfuchsen“. Die Kunst ist, parallel kreativ zu sein und an allem gleichzeitig zu arbeiten.

Sabria David arbeitet an vielen Projekten parallel, sodass die Beschreibung ihres Arbeitsalltages sich schwierig gestaltet. Normalerweise geht sie um 8 ins Büro und nach dem Morgen-Kaffee startet sie einen ersten Streifzug durch die Medienlandschaft: Mails und Twitter checken, Nachrichten lesen etc.  Sie publiziert sehr viel im wissenschaftlichen Bereich, bereitet Vorträge vor, feilt an ihrer Forschungsstrategie und pflegt Kontakte. Die parallele Arbeit an unterschiedlichen Projekten verlangt Koordinationsfähigkeit. Da für Bella Lesnik laut eigener Aussage das Forschen im Medienbereich etwas völlig Fremdes ist, ihre Frage an David: „Was genau verbirgt sich dahinter?“  Der Blick auf Zusammenhänge und die Frage, was dahinter steckt, so David, zeichnet das Forschen im Allgemeinen aus, die besonderen Zusammenhänge der Digitalisierung sagt sie: „Es lädt geradezu ein zum Forschen“. Sie könne aus dem Stand Forschungsgegenstände für die nächsten 10 Jahre benennen. Die Fragen, die es unter anderem zu beantworten galt und gilt: Wie kann man Identität transportieren? Was ändert sich durch Web 2.0 für die Kommunikation von Unternehmen? Müssen sie authentischer, ehrlicher im Dialog mit ihren Nutzern/Konsumenten sein?

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle vorgestellten Berufe ein hohes Maß an Kreativität, Improvisationstalent, Koordinationsfähigkeit und Belastbarkeit verlangen – dafür bieten sie einen abwechslungsreichen Arbeitsalltag voller Überraschungen.

Die nächste Frage, um die es nun geht: Wie sind die Teilnehmerinnen zu ihrem jeweiligen Beruf gekommen? Odile Limpach hat einen Abschluss als Diplom-Kauffrau und landete durch Zufall in der Spielebranche. Sie war zunächst Produktmanagerin, dann Geschäftsführerin einer Vertriebsgesellschaft und entschied sich vor vier Jahren, in die Entwicklung zu gehen: „Man muss offen sein für sehr viele Themen, dann hat man alle Chancen.“ Gerade die Spielebranche vereint eine unerwartete Bandbreite an Berufbildern: man muss nicht nur Spiele spielen, um in der Branche arbeiten zu können,  an der Entwicklung eines Spiels sind viele unterschiedliche Berufsbilder beteiligt, manchmal sind es 30, manchmal 300 Personen.

Simone Stewens studierte zunächst Komparatistik und arbeitete während ihres Studiums beim Rundfunk. Nach ihrem Abschluss folgte eine Hospitanz beim Fernsehen. Ihr erster Beitrag war ein 45-Sekünder über ein soziales Thema, ohne dass sie irgendeine Ahnung vom Erstellen solcher Beiträge hatte. Dies änderte sich recht schnell und als freie Mitarbeiterin war sie bald so erfolgreich, dass ihr eine Festanstellung angeboten wurde. Sie wechselte ins Management und wurde Leitende Redakteurin beim BR, unter anderem mit internationalem Bezug. Irgendwann wurde sie dann beim Filmfestival in Cannes angesprochen und man bot ihr die Leitung der Filmschule an. Diese war zu diesem Zeitpunkt nicht viel mehr als eine Weiterbildungseinrichtung, die zu einer Hochschule mit qualifizierten Hochschulabschlüssen umgebaut werden sollte. Reizvoll war für sie vor allem die Offenheit der Situation: Sie hatte kein Vorwissen, keine Idee davon, wie man Ausbildungsgänge strukturiert: „Dann hab ich einfach angefangen.“ Auch die Umstrukturierung auf „Bachelor“ und „Master“ ist eine Herausforderung, die noch im laufenden Prozess ist. Auch hier ist die aktuelle Entwicklung auf dem Medienmarkt zu beachten – vor allem im Weiterbildungsbereich der Hochschule.

Bella Lesnik fragt nach: Welche Rolle spielt der Zufall? Wie weit kommt man, wenn man geregelte Wege geht? Kim Lenar  berichtet von ihrem Werdegang, wie sie, obwohl ihre Deutschlehrerin ihr fehlendes Schreibtalent bescheinigte, entschlossen war, Journalistin zu werden. Schon während des ersten Semesters stellte sie sehr schnell fest, dass ihr die Uni zu wenig praktische Arbeit bot. Ohne ihr Studium abzuschließen, bot man ihr einen Volontariatsplatz bei der Hamburger Morgenpost an.

Vom Fernsehen wurde sie abgeworben, sie wollte immer Geschichten von Menschen erzählen, deshalb hat sie das Medium Fernsehen gepackt. Überrascht hat sie hier vor allem der große Unterschied zu den Printmedien – sie musste Vieles dazu- und neulernen. Wichtig ist für sie der Antrieb, nicht stehen zu bleiben und sich immer neue Wege zu suchen.  Lenar gibt offen zu, dass sie auch falsche Entscheidungen getroffen hat und Umwege gegangen ist: Nicht jedes Format passt auf jeden Menschen. Während einer Auszeit, die ihr geholfen hat, sich selbst wiederzufinden, fasste sie den Entschluss, als Freiberuflerin zu arbeiten. Sie drehte unter anderem Imagefilme, bevor sie von der BILD angeworben wurde. Sie glaubt, dass es das Wichtigste ist, auf sein Bauchgefühl zu hören: „Nicht denken, was erwartet man von mir, sondern was erwarte ich von mir.“

Doch ist es wirklich so leicht, solchen Erfolg zu haben? Heinrich fordert die Anwesenden auf, Netzwerke zu bilden, denn das führt ihrer Meinung nach zum Erfolg. Sie glaubt, dass man angesprochen wird, wenn man gut ist, wenn man hart arbeitet. Der Beginn einer Karriere ist oftmals zufällig, aber der Rest kommt durch harte Arbeit. Und durch Kommunikation: „Reden ist das Aller-, Allerwichtigste.“ Stewens ist ähnlicher Meinung, Netzwerke sind wichtig für den Erfolg, genauso, dass man „auffällt durch Qualität“. Für David ist die Kombination aus inneren Orientierung und Zufall das Entscheidende. Man muss immer offen sein, bereit für einen neuen Schritt, wenn man merkt, es ist alles „abgelernt“.

Limpach stimmt zu: Man muss den Mut haben, den entscheidenden Schritt zu gehen. Heinrich betont, dass man bereit sein muss, Fehler zu machen. Denn schließlich baue sie keine Brücken, vepflanze keine Organe, was sollte passieren, wenn etwas schief gehen sollte? David rät, sich nie die Frage zu stellen, „kann ich das, was ich da machen will“, sondern nur, „ob ich bereit bin, es zu lernen“.  Die eigentliche Frage, so David, lautet: „Will ich das?“

Bella Lesniks letzte Frage:  Hatten die Anwesenden jemals das Gefühl, dass sie als Frauen bevorzugt oder benachteiligt wurden?
Sabine Heinrich ist der Meinung, Frauen verdienen weniger, weil sie anders auftreten als Männer, zurückhaltender, bescheidener. Sabria David glaubt, dass es daran liegt, dass Frauen gemocht werden möchten. Odile Limpach merkt an, dass Frauen sich nicht von falscher Bescheidenheit bremsen lassen dürften. Kim Lenar stimmt zu: Gerade in Gehaltsverhandlungen ist Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein gefragt: „Ich bin das wert!“ Hier treten Männer viel aggressiver auf.

Bella Lesnik eröffnet nun die Publikumsdiskussion.  Die erste Frage aus dem Publikum kommt per Twitter: „Was denken eigentlich Printjournalisten über Onliner?“
Kim Lenar antwortet: Die Printler wissen, dass man sich immer weiter öffnen muss. Man muss sehen, wie man am besten zusammen arbeiten kann;  die Online-Möglichkeiten können eine Erweiterung  sein. Ihrer Meinung nach passt beides perfekt zusammen.

Die zweite Frage aus dem Publikum lautet: „Sind die Anwesenden der Meinung, dass es eine Frauenquote geben muss?“ 
Die Ansichten sind dazu unterschiedlich. Odile Limpach ist der Meinung, dass mit der Quote nicht viel erreicht wird für Frauen. Bella Lesnik merkt an, dass Familie ein Stolperstein sein könnte. Heinrich glaubt, dass man Beruf und Familie als Freiberufler eher vereinbaren kann als als Festangestellte. Für diese bedeutet die Familienplanung oft einen Karriereknick.  In der anschließenden Diskussion werden verschiedene Modelle  erörtert, die Panelteilnehmerinnen berichten von ihren eigenen Erfahrungen.

Die dritte Frage kommt von einer Studierenden, die am Beginn ihrer Karriere steht, gerade ihr Studium abgeschlossen und selbst schon zwei Kinder hat. Sie fragt, wie große Unternehmen sie wahrnehmen in ihrer Situation.  Heinrich ist der Meinung, dass dies ein großes Plus ist, mit dem man hausieren gehen sollte. Lenar stimmt ihr zu, die junge Frau hat schon bewiesen, wie leistungsfähig sie sein muss, um so eine Situation so bravourös zu meistern.

Die vierte Frage aus dem Publikum: „Wäre statt einer Frauenquote eine KiTa-Quote denkbar? Und hat man  noch Chancen, wenn da s Einstiegsalter höher ist und man noch keine Kinder hat?“
David meint dazu, dass es wichtig ist, private und berufliche Netzwerke zu knüpfen.  Denn gerade mit Familie ist das private Netzwerk für die Karriere mindestens genauso wichtig. Aber man sollte die Lebensplanung nicht von Karrierechancen abhängig machen.
Stewens erklärt: Es gibt viele weibliche Bewerber, die gute Chancen haben. Das Problem ist, dass die Frauen nach der Babypause lieber eine Halbzeitstelle wollen, anstatt voll zu arbeiten. Und je kleiner der Betrieb ist, desto problematischer kann dies werden.

Die Abschlussfrage an alle: Was wünscht ihr euch für die Zukunft? Was wollt ihr mitgeben?
Sabria David wünscht sich, „auf dieser tollen Welle“ weiterzusurfen und alles, was ihr vorschwebt, auch umsetzen zu können.  Was sie mitgeben will: „Trefft eigene Entscheidungen, nehmt das Leben selbst in die Hand.“
Sabine Heinrich möchte wach blieben,  ihre Kreativität bewahren. Ihr Rat: „Seid wach, seid schlau. Sprecht alle an, schämt euch nicht.  Nicht aufgeben. Es fängt heute an.“
Odile Limpach wünscht sich mehr Bewerberinnen in ihrem Unternehmen. Sie rät: „Seid neugierig, seid nicht scheu.“
Sabine Stewens will immer weiterlernen, und wünscht sich, dass sich einige Strukturen in der Medienlandschaft ändern. Ihr Rat: „Horcht in euch rein, glaubt an euch, sucht euch Unterstützer, seid hartnäckig.“
Kim Lenar möchte ebenfalls weiterlernen in ihrem neuen Job und rät: „Seid mutig, seid selbstbewusst!…Ganz viel Netzwerken, das machen Frauen noch viel zu wenig.“

Kategorien: Live-Blog

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SLOW MEDIA | TEXT-RAUM · 5. Juli 2012 at 13:29

[…] “Erfolgreiche Frauen in den Medienbranchen“, Medienfrauen NRW, 6. März 2012, […]

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